Elf Übersetzer_innen im Gespräch: Heute Julia Miesenböck

Wie sind Sie dazu gekommen, tschechische Literatur zu übersetzen?

Meine ersten Übersetzungen waren Texte von Egon Bondy, sogenannte „Peinliche Poesie“, tschechische Underground-Literatur. Das war noch während meines Studiums an der Uni, weil ich sie besser verstehen wollte. Später habe ich festgestellt, dass es wirklich viele gute tschechische Schriftstellerinnen und Schriftsteller gibt, deren Werk auch für das deutschsprachige Publikum interessant sind.

Haben Sie einen Übersetzungswunsch, den Sie sich bisher noch nicht erfüllen konnten?

Gern würde ich auch „unbekannte“ Autorinnen und Autoren übersetzen, die schon gestorben sind, und gewissermaßen „Außenseiter“ sind. Ich denke dabei zum Beispiel an Hana Fousková oder Josef Kocourek.

Gibt es in Ihrer langjährigen Übersetzungsarbeit ein Wort / eine Phrase, die besonders schwer zu übersetzen war?

Das passiert bei fast jeder Übersetzung, auch wenn man nicht gerade Literatur übersetzt.

Haben Sie ein tschechisches Lieblingswort und warum?

Da habe ich mehrere. Ich mag den Klang von langen Wörtern wie rozprostírat se – sich ausbreiten. Auch die Vorsilbe roz-, im Deutschen gibt es kein Äquivalent, das dieser Vorsilbe 1:1 entsprechen würde. In manchen Fällen haben wir im Deutschen gar kein Präfix, sondern müssen es umschreiben, zum Beispiel rozečtený text – ein noch nicht zu Ende gelesener Text. Ich mag auch Wörter wie řasa – dt. „Alge“ oder „Wimper“, und duše – dt. „Seele“ oder „Fahrradschlaub“, weil sie schön klingen und weil sie zwei Bedeutungen haben. Oder Wörter für Pflanzen und andere Gewächse aus den Gedichten von Jan Skácel.

Was ist Ihr tschechischer Lieblingsautor / Buch?

Auch da gibt es viele. Beeindruckt hat mich in letzter Zeit die Autorin Anna Bolavá, vor allem ihr Debütroman, der bald auch auf Deutsch erscheint. Eine weitere sehr interessante Schriftstellerin, die im deutschsprachigen Raum beinahe vergessen wurde, ist Věra Linhartová, deren Werk in den sechziger und siebziger Jahren bei Suhrkamp erschien. 

Leipzig2020Tschechien sprach mit Julia Miesenböck und weiteren Übersetzer_innen, die eigentlich in Leipzig zur Buchmesse auftreten sollten, oder ein Buch oder eine Leseprobe der für die Leipziger Buchmesse 2020 nominierten Autoren übersetzt haben. 

Leipzig2020Tschechien dankt allen Übersetzer_innen für ihre Arbeit und ihren Einsatz für die Verbreitung der tschechischen Literatur.

Foto: Mária Pinčíková

 

 

Hashtags: 
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