Glauben, lieben, schreiben – tschechische Kultur- und Politikgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts

Pavel Kohout fotografiert von David Konečný

Sieben der 60 Neuerscheinungen des Gastlandes Tschechien auf der Leipziger Buchmesse gewähren in Form von Tagebüchern, Essays, Biografien oder Sachbüchern Einblicke in die Geschichte Tschechiens im Herzen Europas. 

Auf mittlerweile 90 Lebensjahre und zentrale politische Ereignisse in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts blickt Pavel Kohout in seinem Buch "Aus den Tagebüchern eines Europäers" (Osburg Verlag 2019) zurück. 1928 in Prag geboren, zählt Pavel Kohout nicht nur zu den international bekanntesten Schriftstellern und Dramatikern Tschechiens. Er war auch einer der stimmgewaltigsten des Prager Frühlings von 1968 und Mitautor der Charta 77. Das Regime bestrafte ihn für sein politisches Engagement mit seiner Ausbürgerung aus der Heimat 1979. Heute lebt der Schriftsteller wieder in Prag und reist zur Leipziger Buchmesse an, um sein Buch persönlich vorzustellen und die Ausstellung "Pavel Kohout – Mein tolles Leben mit Hitler, Stalin und Havel" (20.3. bis 24.4.) im Haus des Buches zu eröffnen. 

Literatur und Politik bestimmten auch das Leben von Jiří Gruša. Der Schriftsteller, Lyriker, Essayist, Übersetzer, Dissident, Politiker, Botschafter und inniger Freund von Václav Havel schrieb auf Tschechisch und Deutsch. Jiří Gruša wurde 1981 ausgebürgert, weil auch er die Charta 77 unterzeichnet hatte. Nach der Samtenen Revolution 1989 machte er politische Karriere in der Tschechischen Republik und vertrat sein Land von 1998 bis 2004 als Botschafter in Wien. 2003 wählte ihn die internationale Schriftstellervereinigung PEN zu ihrem Präsidenten, ein Amt, das er von 2004 bis 2009 ausübte. Zur Leipziger Buchmesse erscheint der 10. und letzte Band der Werksausgabe des 2011 verstorbenen Multitalents im Wieser Verlag mit Reden und Gesprächen. Wer mehr über ihn erfahren will, kann sich zusätzlich vom 25.3. bis 31.5. in der Ausstellung "Jiří Gruša – Schriftsteller und Diplomat – sein Leben und Werk" in der Volkshochschule Leipzig informieren. 

Als Mitunterzeichner der Charta 77 verließ auch Karol Sidon seine Heimat. 1983 ging der 1942 in Prag geborene Hörspielautor und Dramaturg nach Westdeutschland, um in Heidelberg Judaistik zu studieren. Karol Sidon, der auch der amtierende Landesoberrabbiner Tschechiens ist, setzt mit seinem Buch "Traum von meinem Vater" (ars vivendi Verlag) seinem im KZ ermordeten Vater ein Denkmal und erzählt zugleich von der schwierigen Geschichte jüdisch-tschechischer Beziehungen während der deutschen Besatzung und in der Nachkriegszeit.

Der Einfluss der Politik auf Kirchenvertreter und von Kirchenvertretern auf die Politik steht im Mittelpunkt der beiden Bücher von Tomáš Halík sowie dem Autorenduo Luděk Navara und Miroslav Kasáček. Letztere erzählen in "Und sie werden uns nah bleiben. Das Leben und der Märtyrertod der Priester Jan Bula und Václav Brbola aus Babice" (Gerhard Hess Verlag 2019) die Biografie der beiden Kirchenmänner, denen ihr Widerstand gegen die kommunistische Regierung zum Verhängnis wurde. Tomáš Halík legt mit "All meine Wege sind DIR vertraut" (Herder Verlag, 2018) hingegen ein autobiografisches Werk vor. Er schildert seinen Übertritt zum Christentum sowie sein Engagement als heimlicher Priester der Untergrundkirche während des Prager Frühlings 1968 bis hin zur Samtenen Revolution 1989

Dem Dichter der Romantik, Karel Hynek Mácha, war nur eine kurze Lebensspanne vergönnt, 1810 geboren wurde er nicht einmal 26 Jahre alt. Kurz vor seinem Tod 1836 erschien sein Werk "Máj" im Eigenverlag. Erst ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde seine Kunst von Kritik und Publikum positiv aufgenommen. Heute gilt er als einer der wichtigsten Dichter der Romantik in Tschechien. "Briefe im Feuer" (Kētos-Verlag) enthält Briefe des Dichters und Rechtsanwalts an seine Verlobte Lori und an seine Eltern – ein spannendes Zeitzeugnis, das ab März im Buchhandel erhältlich ist. 

Zu Lebzeiten von Karel Hynek Mácha spielte die Prager Universitätsästhetik eine wichtige Rolle. Worin genau deren Bedeutung bestand, erläutert Tomáš Hlobil, Professor am Lehrstuhl für Ästhetik der Karls-Universität in Prag, in seinem 2018 im Wehrhahn Verlag erschienenen Buch die "Geschmacksbildung im Nationalinteresse II. Der Abschluss der frühen Prager Universitätsästhetik im mitteleuropäischen Kulturraum 1805-1848". Der Wissenschaftler beschreibt in seinem Werk die Prager Universitätsästhetik in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus institutioneller Sicht, stellt wichtige Prager Gelehrte dieser Zeit vor und skizziert die Prager Universitätsästhetik der Vormärzzeit.

Foto: David Konečný

Hashtags: 
#lbm19 #l19cz

Newsletter abonnieren

Verpassen Sie keinen Programmpunkt des Tschechischen Kulturjahres und abonnieren Sie unseren Newsletter.

Drupal ᐬrts Drupal Váš Expert Na Drupal Web